Die Schweiz im 20. Jahrhundert
Die Schweiz im 2. Weltkrieg
Im Gegensatz zu 1914 überraschte
1939 der Kriegsausbruch die Schweiz nicht: Eine Rationierung war vorbereitet worden, es existierten soziale Massnahmen
General Guisan:
Widerstand!zugunsten der Wehrmänner und ihrer Familien. Spannungen zwischen den Sprachgruppen beugte die glückliche Wahl des
Generals Henri Guisan vor,und als später die Zufuhren zurück gingen, sicherte der
Plan Wahlen die Lebensmittelversorgung aus eigenem Boden. Die Rüstung war noch nicht auf dem erforderlichen Mass, Lücken gab es bei Kampfflugzeugen und den Panzerfahrzeugen. Die militärische Gefährdung schien am grössten, als Frankreich im Sommer 1940 kapitulierte und
die Schweiz ganz von faschistischen Ländern umgeben war.
Bundesrat
Pilet-Golaz:
Anpassung an
Nazi-Deutschland? Eine missglückte Radioansprache von Bundespräsident Pilet-Golaz wirkte wie eine verkappte Aufforderung zur Anpassung an die Diktatoren. Der General dagegen bekräftigte seinen Widerstandswillen am
Rütlirapport und durch Konzentration der Armee in den Alpen als Igelstellung (
Reduit-Plan).
Rütlirapport vom 25. Juli 1940. General Guisan hatte alle hohen Offiziere auf das Rütli befohlen - ein symbolträchtiges, aber nicht ganz risikoloses Unterfangen. Die Schweiz wurde nicht in grössere Kriegshandlungen hineingezogen. Es gab ein paar
Luftkämpfe mit deutschen Jagdflugzeugen, die den neutralen Luftraum missachteten und
irrtümliche Bombardierungen von Grenzstädten (Basel und Schaffhausen) durch die Amerikaner.
Wie in den meisten Ländern Westeuropas hatten die Nazis auch in der Schweiz Sympathisanten: Die
„Fröntler“. Deren Bedeutung nahm im Verlauf des Krieges ständig ab.
Viele deutsche Juden hatten vor dem Krieg Teile ihrer Vermögen (in Form von Gold oder Kunstgegenständen) in die Schweiz in Sicherheit gebracht, wurden aber dann in Konzentrationslagern umgebracht. Mit der Rückgabe dieser
"nachrichtenlosen Vermögen" an die rechtmässigen Erben taten sich Schweizer Banken und Treuhänder jahrzehntelang schwer.
Die tragischen Folgen der zurückhaltenden Flüchtlingspolitik (
„Das Boot ist voll“) wurden erst nach dem Krieg voll erkannt.
Die Frage, ob die Schweiz wegen ihres
Geländes, wegen ihrer
Armee oder dank ihrer Rolle als „
Bankiers der Rüstungkäufe" nicht angegriffen wurde, lässt sich nicht schlüssig beantworten.
Planungen des deutschen "Oberkommando des Heeres" sahen eine überfallartige Besetzung der Schweiz für den Sommer 1940 vor. Zur gleichen Zeit wären die Italiener von Süden in die Alpen vorgestossen, um der Schweizer Armee den Rückzug ins Réduit, in die Alpenfestung, zu verwehren. Da die Briten den Krieg fortführten, plante Hitler eine Invasion Grossbritanniens, deshalb musste er die Operation Tannenbaum verschieben, die laut Planung 20 deutsche Divisionen gebunden hätte. Und später kämpften die Deutschen dann an vielen weiteren Fronten, so dass die Schweiz trotz Alpenpässen, potenziellen Auf- und Durchmarschgebieten, Waffenfabriken, germanischem Blut und frecher Presse von Kriegshandlungen verschont blieb. Zum Glück hat sich nicht bewahrheitet, was deutsche Soldaten provozierend sangen: „Die Schweiz, das kleine Stachelschwein, das nehmen wir beim Rückzug ein."
Vom Kalten Krieg bis zur Personenfreizügigkeit
Im Kalten Krieg war die offizielle Schweiz
politisch und militärisch neutral, gehörte aber gesinnungsmäßig zum liberal-westlichen Lager. Obwohl die Schweiz aus Neutralitätsgründen weder der NATO noch der UNO beitrat, blieb der europäische Sitz der UNO (als Nachfolgeorganisation des Völkerbunds) trotzdem in Genf.
Der Kalte Krieg führte zu einer
Aufrüstung und Modernisierung der Schweizer Armee. Die Wehrpflicht in der Milizarmee dauerte für alle Schweizer vom 20. bis zum 50. Altersjahr.
Die Vampire war das erste Düsenflugzeug der Schweizer Luftwaffe. 471 solche Kampfflugzeuge wurden in den 1950er-Jahren von England gekauft oder in Lizenz in der Schweiz hergestellt.
Auf die atomare Aufrüstung der Großmächte hin erwog die Schweiz in den 1950er-Jahren die Beschaffung von Atomwaffen, doch sie investierte dann in
einen leistungsfähigen Zivilschutz und baute Schutzräume für alle Bewohner der Schweiz.
Als die sowjetische Armee
1956 in Ungarn und
1968 in der Tschechoslowakei einmarschierte, nahm die Schweiz 10'000 respektive 12'000 Flüchtlinge auf.
Die Neutralität der Schweiz begünstigte die
„Guten Dienste“ der Schweiz, so dass wiederholt internationale Friedenskonferenzen in der Schweiz abgehalten wurden, zum Beispiel 1954 in Genf die Indochinakonferenz.
Aus politischen Gründen wollte die Schweiz
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) nicht beitreten. Sie gründete 1960 zusammen mit Dänemark, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und dem Vereinigten Königreich die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA).
Wirtschaftlich erlebte die Schweiz nach 1945 eine
Hochkonjunktur, die bis in die 1970er-Jahre anhielt. Die Exporte wurden verzehnfacht.
Einkaufszentrum
Shoppyland Schönbühl Bei stetig steigender Bevölkerung veränderte sich das Gesicht der Schweiz durch starke Bautätigkeit und Mobilitätssteigerung der Bevölkerung. Besonders das Mittelland verlor durch
Zersiedelung der Landschaft den ländlichen Charakter.
1947 war die Alters- und Hinterlassenenversicherung (
AHV) und 1959 Invalidenversicherung (
IV) eingeführt worden. Nicht zuletzt
der soziale Frieden (keine Streiks) beschied der Schweiz bis in die 1990er-Jahre außergewöhnliches Wirtschaftswachstum und
hohen allgemeinen Wohlstand.
Die Hochkonjunktur bewirkte Zuwachs von Arbeitskräften aus dem Ausland für die Bau- und Tourismusindustrie. Die Italiener stellten die größte Einwanderergruppe. Der Versuch, die Zahl der Ausländer in der Schweiz mit einer „
Überfremdungsinitiative“ (Schwarzenbach-Initiative) zu beschränken, scheiterte in der Volksabstimmung.
Erst 1971 stimmten die Schweizer Männer der
Einführung des Frauenstimmrechts zu.
Abstimmungsplakat 1984 wurde die erste Frau in den Bundesrat gewählt. 2010 bestand dann erstmals eine Frauenmehrheit in der Landesregierung.
Innenpolitisch wurde die Schweiz durch die seit 1959 erreichten Konkordanz unter den führenden Parteien geprägt, die sich in der sogenannten
Zauberformel äußerte: Im Bundesrat 2 FDP-Vertreter, 2 der CVP, 2 der SP und 1 der SVP. Diese Konkordanz geriet mit dem Aufstieg der rechtskonservativen SVP 2003 in eine Krise.
Politische Skandale waren 1964 die
Mirage-Affäre (zu teure Beschaffung von Kampfflugzeugen), 1989 der
Fichenskandal (Bespitzelung der Bürger) oder 1990 die Aufdeckung der
Geheimarmee P-26.
Die Krise um die separatistische Bewegung im Berner Jura wurde 1979 auf demokratischem Weg durch die
Gründung des Kantons Jura gelöst.
Die
Achtundsechziger-Bewegung machte auch vor der Schweiz keinen Halt und hatte großen Einfluss insbesondere auf die Universitäten.
Eine von unzähligen 68er-Demos in Berns Gassen
Die 1980er-Unruhen (AJZ-Bewegung) führten in den größeren Städten wie Zürich und Bern zu Auseinander-setzungen zwischen Jugendlichen und den Behörden mit
gewalttätigen Krawallen ("Nieder mit dem Packeis, Freiheit für Grönland"). Zu diesen linksextremen Erscheinungen entstand eine konservative Gegenbewegung, die sich in Wahl- und Abstimmungssiegen der SVP zeigte.
Trotz wachsender Opposition rechtsbürgerlicher Kreise hielt der Bundesrat an seinem europäischen Integrationskurs fest und reichte in Brüssel ein Gesuch zu einem Beitritt der Schweiz zur EU ein.
EU-Gegner Christoph Blocher. Gefährlicher Volkstribun für die einen, Retter der Schweiz für die andern.
Weil
die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung keinen Beitritt zur EU wünscht, verfolgte der Bundesrat dann den „bilateralen Weg“. Ohne formellen Beitritt vollzog die Schweiz EU-Recht nach und einigte sich zweimal mit der EU in
bilateralen Verträgen auf eine Teilintegration der Schweiz in den EU-Binnenmarkt sowie die
Liberalisierung des Personen- und Güterverkehrs.
Ein
Niedergang der schweizerischen Maschinen- und Textilindustrie führte zu einer Deindustrialisierung und zu einer Arbeitslosigkeit von zeitweise bis 4 Prozent. Ein Ende der Krise brachte der internationale Wirtschaftsaufschwung um die Jahrtausendwende.
Während der 1990er-Jahre nahm die Schweiz zahlreiche
Flüchtlinge aus verschiedenen internationalen Konfliktregionen auf, besonders aus Sri Lanka, der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien. Der markante Zustrom von Menschen aus ländlichen Gebieten Südosteuropas führte zu gesellschaftspolitischen Spannungen, besonders wegen der schwierigen kulturellen Integration der Flüchtlinge.
Im Oktober 2001 mussten die Flugzeuge der Swissair wegen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft am Boden bleiben.
Kloten, 3. Okt. 2001. Die Flugzeuge der Swissair blieben am Boden, weil die Gesellschaft den Treibstoff nicht bezahlen konnte. Dieses
Grounding führte zum größten Wirtschaftskollaps der Schweizer Geschichte. Heute heißt die Gesellschaft Swiss und ist in den Händen der Lufthansa.
2002 fand in der Drei-Seen-Landschaft um den Bieler-, den Neuenburger- und den Murtensee die Landesausstellung
Expo 02 statt.
Einige Ökonomen und Politiker bringen die Erholung der Schweizer Wirtschaft in Zusammenhang zu der seit 2002 eingeführten Personenfreizügigkeit mit der EU,
Mit der Annahme der SVP-Initiative werden die bisherigen bilateralen Verträge mit der EU gefährdet dank der zahlreiche gut ausgebildete Fachkräfte, besonders aus Deutschland, in die Schweiz zuwandern konnten - so dass der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung momentan um 25 Prozent beträgt. Ob der Entscheid des Schweizer Stimmvolks vom 9. Februar 2014, die
Masseneinwanderungsinitiative der SVP anzunehmen und die Zuwanderung wieder selber zu steuern, einen negativen Einfluss auf den Schweizer Wohlstand hat, wird die Zukunft weisen.
Da die EU-Kommissäre in Brüssel wenig Verständnis für Schweizer
Rosinenpickerei zeigen wollen, sträuben sich Bundesrat und National- und Ständerat, den vom Volk angenommenen Verfassungsartikel zur Masseneinwanderung umzusetzen, was eine erstarkende, in Regierung und Parlament Mitverantwortung tragende SVP zunehmend der von ihr so genannten
Classe Politique entfremdet.