Befreiungskriege bis zur Gründerzeit
Die Ideen der französischen Revolution von 1789 wirkten auch nach Deutschland hinein. Nachdem Napoleon 1805 Österreich bei Austerlitz und 1806 Preußen in Jena und Auerstedt besiegt hatte, löste er das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ auf.
Wartburgfest 1817 In den
„Befreiungs-kriegen“ (1813 –15) befreite sich Deutschland von der französischen Herrschaft
(Völkerschlacht bei Leipzig 1813).
Im Jahre 1817 zogen Studenten zum
Wartburgfest, wo die 300 Jahre zuvor stattgefundene Reformation gefeiert wurde. „Ehre, Freiheit, Vaterland“ lautete ihr Wahlspruch. Sie forderten (vergeblich) ein vereinigtes Deutschland und eine Verfassung.
Das ganze 19. Jahrhundert war - nicht nur in Deutschland - von einer starken
Nationalbewegung geprägt.
1848 versammelte sich in der Frankfurter Paulskirche das erste, jedoch machtlose Parlament.
Durch die fortschreitende deutsche Einigung fühlte sich Frankreich bedroht. Napoleon III. erklärte dem König von Preußen den Krieg („Emser Depesche“).
Schon nach wenigen Kriegswochen dieses
Deutsch-französischen Kriegs (1870/71) konnten die Preußen (und andere mit ihnen verbündete deutsche Länder) die französischen Armeen einschließen.
Napoleon III. geriet bei
Sedan in deutsche Gefangenschaft. Während der
Belagerung von Paris verhandelte der preußische
Gründung des II. Deutschen Kaiserreichs in Versailles Ministerpräsident Otto von Bismarck mit den deutschen Landesfürsten über die Gründung des „kleindeutschen“ Reiches (ohne Österreich). Im Januar
1871 wurde der preußische König Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen (II. Reich).
Im 19. Jh. waren die deutschen Länder zunächst weniger entwickelt gewesen als andere europäische Staaten. Doch in den Jahrzehnten nach der Reichsgründung, den sogenannten
Gründerjahren, entstanden überall große
Industriegebiete, z.B. das Ruhrgebiet mit dem Kruppstahlwerk in Essen.
Lokomotivenfabrik Auch die bürgerlichen Hochstimmung, die zu Ende des 19. Jahrhunderts vor allem dank des technischen Fortschrittes herrschte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Deutschen Reich
gewaltige gesellschaftliche Missstände gab.
Adelige, Offiziere, höhere Beamte und Studenten hielten sich für die „gebildeten Klassen der Gesellschaft" und schlossen sich vom Umgang mit den anderen Bürgern weitgehend ab.
Nicht Leistungen zählten, sondern Titel. Der Rang eines Reserveoffiziers war der Schlüssel zur Gesellschaft, deshalb war er das Ziel aller Wünsche. „Der Mensch beginnt beim Leutnant".
Nur wer den „gebildeten Klassen" angehörte, galt als „satisfaktionsfähig" und hatte das „Vorrecht", Ehrenhändel im Duell auszutragen. Nicht ein mangelhafter Charakter war der Ehre abträglich, sondern die kleinste Beleidigung, die einer auf sich sitzen ließ.
Studenten auf dem "Paukboden" Als Folge der Industrialisierung hatte sich das Leben der Frau dem des Mannes angeglichen. Nun begannen Frauen, die politische Gleichberechtigung zu fordern. Diese
„Suffragetten" erhielten aber erst nach dem Ersten Weltkrieg Recht. Im Krieg hatten sie nämlich die Verantwortung im Handel, in der Fabrikation und der Verwaltung übernehmen und „ihren Mann stellen" müssen. In Deutschland erhielten die Frauen 1918 das Wahlrecht (Russland: 1917, USA: 1920, Frankreich: 1944, Schweiz: 1971)
Obwohl Deutschland ein Kaiserreich war und von einem „Eisernen Kanzler" geführt wurde, hatten seine Bürger
nicht alle die gleiche Weltanschauung. Sie fühlten sich als Preußen oder Bayern, als Evangelische oder als Katholiken.
Die
Nationalisten erhoben den Patriotismus zur Religion und glaubten, nur ihr Vaterland sei zur Führung anderer Nationen berufen. „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen".
Die
Anarchisten bezeichneten den Staat als eine menschenfeindliche Einrichtung und arbeiteten an seiner Vernichtung (Attentate).
Die
Pazifisten hielten gemäß dem christlichen Grundsatz „Liebet eure Feinde" die Gewaltlosigkeit für das einzig taugliche Mittel, den Völkerfrieden einzurichten.
Die
Sozialisten dachten international und kämpften für die Rechte der Arbeiter.
Karl Marx veröffentlichte sein "Kommunistisches Manifest" 1848: "Ein Gespenst geht um in Europa…"Die
Kommunisten glaubten an die Revolution, in welcher die Arbeiter gewaltsam ihre Rechte erkämpfen. („Wachet auf, Verdammte dieser Erde, die man doch stets zum Hungern zwingt...")
Die
Sozialdemokraten kämpften für Reformen, die die Arbeiter „zur Sonne, zur Freiheit" führen sollten.
Das christliche Abendland zog zwar aus der Intelligenz und Schaffenskraft der
Juden großen Nutzen, anerkannte sie aber gesellschaftlich nicht. Auf den herrschenden Antisemitismus antwortete Theodor Herzl 1896 mit der Begründung des
Zionismus - Palästina sollte wieder die Heimat der Juden werden.
Durch geschickte Bündnispolitik hatte
Reichskanzler Bismarck das Deutsche Reich, Österreich und Italien 1882 zum „Dreibund“ zusammengeschlossen und 1887 im „Rückversicherungsvertrag“ Neutralität mit Russland vereinbart.
1888 bestieg Wilhelm II. den deutschen Thron. Der junge Kaiser wollte eine „Politik der freien Hand“ führen und kündete den Rückversicherungsvertrag. Auch entließ er Bismarck.
(„Der Lotse geht von Bord“)
Misstrauisch geworden, schlossen sich
England, Frankreich und Russland zur „Entente“ (=Übereinstimmung) zusammen.
Deutschland fühlte sich nun von Feinden eingekreist und verstärkte Heer und Flotte.
Der „Panthersprung nach Agadir“ löste 1911 die Zweite Marokkokrise aus. Die Entsendung des deutschen Kanonenboots „Panther“ nach Agadir durch Wilhelm II. war eine Drohgebärde gegenüber Frankreich. Das veranlasste Frankreich und England zu den gleichen Maßnahmen.
Ein Wettrüsten der europäischen Völker begann.
In den
Marokko-Krisen (1906, 1911) versuchte Deutschland vergeblich, gegen die Ansprüche Frankreichs auf Marokko anzukommen.
Als in der Türkei 1908 die Revolution ausbrach, annektierte Österreich Bosnien. Die Türkei verlor den europäischen Besitz. Im Streit um die „Beute" brach der Balkankrieg aus.